Gabrielle Zevin: Lost Memory - Mein vergessenes Leben

Aus dem Amerikanischen von Ulrike Nolte, Bloomsbury Verlag, Berlin 2010, 329 Seiten, �16,90

�Natürlich war für mich alles ein Geheimnis.�

Die 16-jährige Naomi Porter stürzt eine Treppe hinunter und verliert durch den Unfall fünf Jahre ihres Lebens. Amnesie, Gedächtnisverlust lautet die Diagnose. Ab der 6. Klasse kann sie sich an nichts mehr erinnern. Geboren in Russland und als Kleinkind adoptiert, lebt die junge Frau in der Nähe von New York, in Tarrytown. James, dem neuen Schüler, ist Naomi sozusagen vor die Fü�e gefallen und er hat die Schwerverletzte ins Krankenhaus gebracht. Als Will, Naomis Kumpel und eifriger Redakteur der Jahrbücher an der Schule, sie am Krankenbett besucht, scheint Naomi nur noch auf James fixiert zu sein. Allerdings kennt Will Naomi bereits sehr lang und scheint alles über sie zu wissen. Er nennt sie Partner, sie ihn angeblich Coach, obwohl er nicht gerade sportlich aussieht. Will ist um seine Freundin besorgt oder ist er eifersüchtig? Nach und nach verarbeitet Naomi die Geschehnisse der letzten Jahre. Ihre Eltern sind geschieden, die Mutter hat eine neue Familie und ein dreijähriges Kind. Naomi hat sich mit der Mutter, die eine begabte Fotografin ist, heillos verstritten. Ihr Vater will wieder heiraten und Naomi hat einen festen Freund, den gutaussehenden Tennisstar Ace. In Naomis Kopf, ihre Erinnerungen sollen angeblich irgendwann wieder zurückkehren, ist alles verdreht und doch reagiert sie auf vieles nicht vorsichtig, sondern mit vehementer Wut. So stö�t sie erneut ihre Mutter vor den Kopf, igelt sich ein und akzeptiert mit einigen Bauchschmerzen ihren Freund Ace und seine so oberflächlichen Freunde und Freundinnen, um ihr altes Schulleben wieder aufzunehmen. Auf der Suche nach sich selbst, stö�t Naomi aber immer wieder auf Unbekanntes. Was ist / war sie für ein Mensch? Plötzlich findet Naomi Gefallen am Theaterspielen, sie öffnet sich wieder für eine alte Freundin, die sie längst aus den Augen verloren hatte. Der unkomplizierte Ace erlebt eine veränderte, nachdenkliche Freundin, die so gar nicht zu ihm passt. Will erhofft Naomis Hilfe in der Redaktion, aber das Mädchen stellt alles in Frage. Plötzlich ist ihr Gedächtnis wieder da und die letzten Momente vor dem Sturz. Naomi hatte Will geküsst. Jetzt hat sie sich allerdings mit dem geheimnisvollen, so instabilen James mehr als angefreundet. Auch er ist auf der Suche nach sich selbst, nach Halt.

Bitter sind die Umwege, die Naomi einschlagen muss, um zu erkennen, wer wirklich wichtig für sie ist. In ihrer Sturheit schlägt sie schnell Türen zu, die trotz aller Komplikationen weit offen standen. Nachdenklich stimmt diese so handlungsreiche und tiefsinnige Geschichte, in der ein Mädchen sich selbst findet und die Chance bekommt, alles noch einmal von einer neuen Seite zu sehen. Ob sie diese ergreift, muss der Leser entscheiden.