Sara Zarr: Zicke

Aus dem Amerikanischen von Klaus Fritz

Aufbau Verlag, Berlin 2010, 224 Seiten, �12,95

�Ich stellte mir vor, wie mein Dad uns durch eine �berw achungskamera beobachtete und uns überrascht anstarrte, wie wir unschuldig fernguckten anstatt rumzuknutschen oder Koks zu schnupfen oder uns gegenseitig die Nippel zu piercen oder was mein Dad auch immer glaubte, das ich in meiner Freizeit anstellen würde.�

Deanna Lambert ist für immer und ewig abgestempelt. Sie ist in den Augen der anderen Mitschüler eine Schlampe, die mit 13 Jahren Sex mit dem vier Jahre älteren Tommy, einem Freund ihres Bruders Darren, hatte. Deannas Vater hat Tommy sozusagen mit offener Hose von Deanna heruntergezogen als die beiden im Auto zu Gange waren. Katastrophe, gro�er Krach, Auseinandersetzungen! Aber nichts geschieht. Deannas Vater verstummt, redet nicht mit ihr und das nun schon seit drei Jahren. Voller Scham muss sie tagtäglich seine Verachtung, seinen Hass ertragen. Deannas Mutter arbeitet viel und glaubt, alles mit Allgemeinplätzen oder einem Eis kitten zu können. Die Stimmung bei den Lamberts hat sich nach dem Vorfall, den Tommy auch noch distanzlos und arrogant überall brühwarm herumerzählte (eigentlich hätte Deannas Vater den Jugendlichen anzeigen können), extrem verschlechtert. Darren ist früh Vater geworden und Stacey und das Baby April wohnen nun im Haus der Lamberts, denn Staceys Mutter hat sich mit ihrer Tochter verkracht.

Aus Deannas Perspektive rollt Sara Zarr die Geschichte auf und schildert realistisch und gut nachvollziehbar das Leben in einem kleinen Kaff in der Nähe von San Francisco. Die gesamte Familie Lambert, auch Stacey arbeitet in miesen Jobs, verfügt über wenig Geld und ständig liegt eine gereizte Stimmung in der Luft, die der Vater provoziert. Er hatte nach vielen Jahren seine Arbeit verloren und muss nun in einem Ersatzteillager arbeiten. Deanna träumt von einem erfüllteren Leben, sie schreibt ihre Vorstellungen und auch Erinnerungen an bessere Zeiten auf und fühlt sich nicht wohler. Als sie einen Sommerferienjob in einer verdreckten, heruntergekommenen Pizzeria ergattert, trifft sie wieder auf Tommy, der nichts kapiert hat. Aber Deanna hat eine ganze Menge dazugelernt und sie wird sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. Insgeheim hofft Deanna, dass sie mit ihrem verdienten Geld mit Darren und seiner kleinen Familie in eine Wohnung fern ab von ihrem Vater ziehen kann. Aber alles ist Illusion, denn auch Darren und Stacey haben miteinander und durch die frühe Elternschaft gro�e Probleme.

Deanna hat sich unbehütet und viel zu früh dem ersten Jungen, der sie umworben hat, hingegeben. Aus Langeweile, aus Neugier, aus einer Laune heraus. Erst im Nachhinein versteht sie, wie empfindungslos Tommy sie benutzt hat. Als Deanna Lee kennenlernt, ein Mädchen, das nicht auf die schmutzigen Reden der anderen hört, gewinnt sie wieder Lebensmut. Aber sie wird Lee verletzen und erkennen, man darf den entstandenen Konflikten nicht aus dem Weg gehen, man muss reden. Deanna ahnt, sie muss für sich allein kämpfen, aufs College gehen und einen anderen Weg als ihre Eltern einschlagen. Einfach wird das nicht werden.

�Wir wussten nicht, wie wir es irgendwie besser machen konnten als Mom und Dad.�

Sara Zarr hat einen wirklichkeitsnahen, berührenden Roman mit einer durchweg sympathischen Hauptfigur geschrieben. Anschaulich schildert sie die Lebensgefühle junger Menschen, die durch ihre sozialen Verhältnisse ohne Perspektiven in der Sackgasse stecken.