T�DLICHE KAMPAGNE

Rosa Ribas: Tödliche Kampagne, Aus dem Spanischen von Kristen Brandt, Suhrkamp Verlag, TB, 450 Seiten, �9,95

�Irgendetwas hatte sie übersehen, wie die Treppen zur Unterführung am Hauptbahnhof, sie sie zum ersten Mal bewusst wahrgenommen hatte, obwohl sie sie seit Jahren kannte.�

Kommissarin Cornelia Weber-Tejedors Areal für ihre kriminellen Ermittlungen ist der Raum Frankfurt. Ihre Mutter ist Spanierin und lebt mit dem Vater seit vielen Jahren in der Mainmetropole. Seit fast 10 Jahren ist die 39-jährige Cornelia mit Jan, einem Gymnasiallehrer, verheiratet, zu dem sie allerdings nach seiner überraschenden Sinnsuche und mehreren Monaten Aufenthalt in Australien keine vertrauensvolle Beziehung mehr aufbauen kann. Die seltsame Sprachlosigkeit zwischen den beiden setzt sich auch in ihrem Arbeitsleben fort. Immer wieder hat sie Probleme mit dem gar nicht mehr so neuen Mitarbeiter Leopold Müller. Dies ist ihr zweiter Fall. Rosa Ribas, selbst Spanierin und wohnhaft seit langem in Frankfurt, lässt ihre Ermittlerin hinter die Fassaden einer Werbeagentur blicken, die seit Neuestem Drohbriefe erhält. Beteiligt an einem finanziell sehr lukrativen Ausschreiben für die Stadt Frankfurt, scheint entweder die Konkurrenz oder irgendwelche Moralapostel mit rassistischem Gedankengut die Agentur in Schrecken zu versetzen. Das Konzept der Agentur Baumgard & Holder zielt auf kulturelle Vielfalt und Toleranz, auf ein friedliches Nebeneinander verschiedener Menschengruppen in einer Stadt, ob sie nun Kleingartenbesitzer, neben Homosexuellen oder Migranten sind. Cornelia Weber soll sich in der Agentur erstmal vorsichtig umhören, um die Herkunft der Drohbriefen zu erkunden. Als jedoch der künftige Agenturchef Johannes Sperber, gutaussehend für seine 45 Jahre und schwul, ermordet wird, fühlt sich die Kommissarin schuldig. Ihr Vorgesetzter spannt sie mit ihrem Kollegen Junker zusammen, den sie nicht ausstehen kann. Sein latenter Hass gegen Homosexuelle behindert immer wieder die Ermittlungen, zumal Sperbers langjähriger Freund unter Verdacht gerät. Handelt es sich um eine Beziehungstat, um die Rache einer faschistoiden Organisation oder wollte man einen Konkurrenten ausschalten? In einem der Drohbriefe stand, dass die Leute in der Werbebranche doch nur Clowns sind. Das Gesicht Sperbers wurde nach seinem Tod vom Mörder geschminkt � als Clown. Eine gezielte Demütigung. Cornelia Weber ermittelt ziemlich hilflos in alle Richtungen. Sie ahnt, dass sie wichtige Details übersieht. Mit Junker bildet sie jedoch kein Team, sondern beide versuchen den Fall im Wettlauf zu lösen. Als dann noch ein Toter mit Clownsmaske gefunden wird, eskaliert der Kollegenstreit. Auch zu Hause findet Cornelia nicht den Frieden, den sie für ihre schwierigen Fälle benötigt. Immerhin ist noch der grausame Tod einer moldawischen Prostituierten, deren blutige Kleider aber nicht ihr Körper gefunden wurde, aufzuklären.

Mit Klischees beladen, in Werbeagenturen konkurrieren die homosexuellen Kreativen, kämpfen mit ihrem Alter ( Wie in jeder Branche landen die Ausgedienten auf dem Abstellgleis. Warum eigentlich die Rente mit 67, wenn Menschen mit Mitte 40 schon zu alt für den Arbeitsmarkt sind? ) und arbeiten mindestens 70 Stunden die Woche ( obwohl sich Cornelia Weber nicht vorstellen kann, was sie dort die ganze Zeit machen), unterhält Rosa Ribas Roman trotzdem auf angenehme Weise. Vielleicht ist es gerade die unaufgeregte Art der Kommissarin, die äu�erst besonnen und doch akribisch ihre Fälle angeht oder der flüssige, dialogreiche Erzählstil, der den Leser in die Kriminalgeschichte hineinzieht. Vieles im Privatleben der Kommissarin wird angerissen, aber nicht ausgeführt. Eine Affäre mit Kollege Leopold Müller bahnt sich an, möglicherweise eine Trennung und die Frage nach dem Kinderwunsch. Sonderlich spannend oder raffiniert ist die Aufklärung des Falles dann leider nicht und bestätigt nur wieder, aber warum auch nicht, alle Klischees.