DIE WELT, WIE WIR SIE KANNTEN

Susan Beth Pfeffer: Die Welt, wie wir sie kannten, �bersetzung von Annette von der Weppen, Carlsen Verlag, Hamburg, 2010, Gebunden mit Schutzumschlag, 448 Seiten, �17,90

�Wir reden nicht mehr über die Zukunft.�

Weltuntergangsszenarien sind so alt wie das menschliche Denken: Klimakatastrophen, die Ausserirdischen übernehmen das Kommando oder die Voraussagen längst ausgestorbener Völker treten ein, so lauten die verschiedenen Fantasien, denen sich Autoren gern hingeben, wenn sie der menschlichen Seele und deren Strapazierfähigkeit auf den Grund gehen wollen. Mehrere Endzeitthriller finden sich in den Verlagsprogrammen 2010, z.B. von Brian Falkner �Tomorrow Code� ( dtv premium ) oder ��berleben� ( Oetinger Verlag) von S. A. Bodeen. Die amerikanische Autorin Susan Beth Pfeffer inszeniert in ihrem Jugendroman �Die Welt, wie wir sie kannten� den Ausnahmezustand, einen Asteroideneinschlag in den Mond, ein Schauspiel, dem die Leute aus der Ferne weltweit ohne Bedenken gern zuschauen. Als Ich-Erzählerin fungiert die 16-jährige Miranda Evans. Sie lebt in Pennsylvania, schreibt Tagebuch und hält alle kommenden Geschehnisse erstaunlich objektiv fest. Doch wie kann es sein, dass Wissenschaftler nicht vorausberechnen konnten, dass eine Veränderung auf dem Mond auch die Erde in Mitleidenschaft ziehen würde? Der Mond jedenfalls verlässt durch den heftigen Aufschlag des Fremdkörpers seine Laufbahn und rückt an die Erde heran. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Tsunamis überschwemmen die Küsten, Erdbeben erschüttern die Erde und längst erloschene Vulkane brechen aus. Die Erde scheint im Universum zu schaukeln und niemand ist vorbereitet. Die dramatische Wendung fordert Millionen Tote und jeder muss sich selbst retten, denn ein Notfallplan existiert nicht. Der Präsident, von dem zumindest Mirandas Mutter sowieso nicht viel erwartet, zieht sich nach Texas zurück und erstarrt in Hilflosigkeit. Mirandas Mutter, eine Romanautorin, ergreift unglaublich geistesgegenwärtig die Initiative und mobilisiert die Familie. Zu horenden Preisen muss eingekauft werden, was sich über eine lange Zeit hält. Die Leute schlagen sich um die Einkaufswagen, in Kürze sind die Regale leer und Miranda kann nicht fassen, wozu Menschen in kriegsähnlichen Situationen fähig sind, wenn es um ihre Existenz geht. �ber lange Zeiten fällt der Strom aus, trotz hei�em Sommer droht eine Kältewelle ( das Mädchen war sich klar, dass sie nie lange Unterhosen anziehen wird, auch das soll sich ändern) und die Familien rücken zusammen. Mirandas älterer Bruder kommt nach Hause und erkennt sehr schnell die schwierige Lage. In Panikwellen versucht Mirandas Mutter ihre Angst vor dem Hunger, dem Untergang, in den Griff zu bekommen. Plötzlich reduziert sich das ganze Leben nur noch aufs Essen, egal um welchen Preis. Das Backen eines Brotes wird zum Ereignis. Immer wieder versuchen Miranda und ihre Geschwister die Gro�mutter und den Vater zu kontaktieren. Mirandas Vater lebt in zweiter Ehe mit der viel jüngeren Lisa zusammen, die schwanger ist. Alle Pläne für den Sommer gehen den Bach hinunter. In einer Szene offenbart sich die Verzweiflung der gesamten Situation. Matt, Mirandas älterer Bruder, bricht zusammen, da der Vater all seine Kraft der neuen Familie widmet und nicht seinen Kindern. Das Hohelied auf den Zusammenhalt der Familie verkündet bereits Mirandas Mutter und provoziert dadurch viele Konflikte mit ihrer Tochter, die immer noch über den Tellerrand hinaus sehen kann.

Susan Beth Pfeffer entwirft in ihrem Jugendroman ein Horrorszenario und zeigt, wie schnell all unsere so lieb gewordenen Bequemlichkeiten ihren Sinn verlieren, wenn es nur noch ums �Fressen� und nicht mehr um die Moral geht. Mirandas Freundinnen wählen eigene Wege, um sich zu retten. Megan verliert sich an ihren Gott und hungert sich zu Tode und Sammy geht mit einem älteren Mann mit, der sie hoffentlich ernähren kann. Beginnt die Geschichte mit einem ungeheuren Tempo und voller Spannung, so verliert sich die Handlung ab der Mitte des Romans in Redundanzen, denn der Autorin gehen die Einfälle aus oder sie wagt es nicht, die existentiellen Konflikte ihrer Protagonisten bis zur bitteren Konsequenz auszureizen. Sicher sind Susan Beth Pfeffer auch durch die stilistische Wahl des Tagebuchs Grenzen gesetzt und doch hätte man der Autorin mehr Mut bei der Handlungsführung gewünscht.