DIE PERSPEKTIVE DES G�RTNERS

Hakan Nesser: Die Perspektive des Gärtners, Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt, btb, München 2010, 320 Seiten, �19,99

�Jede Geschichte sucht ihre Form und findet sie. Oder sie stirbt.�

Hakan Nessers Hauptfigur Erik Steinbeck ist durch den schnellen Erfolg von fünf Romanen, von denen zwei sogar verfilmt wurden, als begabter Autor aufgefallen. Der 38-Jährige lebt mit seiner Frau Winnie, die als Malerin ebenfalls Karriere machen konnte, finanziell ohne Sorgen. Alles wunderbar, wäre da nicht vor 17 Monaten beider Tochter, die vierjährige Sarah, plötzlich ohne Vorwahrnung oder Grund aus ihrem Leben verschwunden. Wurde sie von dem Mann im grünen Audi entführt, ermordet? Erik ist nun von den Niederlanden mit Winnie nach Greenwich Village mitten nach Manhattan gezogen, um Abstand zu gewinnen und zum Alltag zurückzufinden, glaubt der Erzähler. Jeden Tag setzt er sich in die nahe gelegene Bibliothek, um niederzuschreiben, was mit ihm und Winnie geschehen ist, denn immer mehr verlieren die beiden den Kontakt zueinander. In Rückblicken lässt der Erzähler ihre gemeinsame Zeit Revue passieren und erinnert sich an unglaubliche, fast übersinnliche Ereignisse. Allein, wie die beiden sich kennengelernt haben. Erik veröffentlichte ein Gedicht in einem seiner Romane, dass Winnie angeblich bereits vorher zu Papier gebracht hatte. Oder stammt das Gedicht tatsächlich von einem französischen Dichter namens Grimaux, der seine Frau und vierjährige Tochter durch einen Unfall verlor und sich danach selbst das Leben nahm? Nichts geht mir rechten Dingen zu und nach sieben Jahren Ehe mit Winnie begreift Erik, dass er seine Frau gar nicht kennt. Warum vertraut Winnie ihrem Mann nicht? Was wissen beide Eheleute wirklich von der Vergangenheit des anderen? Warum will Winnie ihre Verwandten in den USA nie besuchen? Warum spricht eine Frau in Venedig sie mit Ursula an? Wie war es, als Winnie ihren ersten Mann und ihre damals ebenfalls vierjährige Tochter Judith durch einen Autounfall zwischen Berlin und Cottbus verlor? Und dann malt Winnie die letzte Szene mit ihrer Tochter Sarah, die Erik beobachtet hatte und nicht verhindern konnte. Das Gesicht des Entführers bleibt leer, dabei hat Winnie durchaus eine Ahnung, wie es aussehen könnte. Nur Erik tappt im Dunkeln. Winnie glaubt, angeblich aus einem Gefühl heraus, dass Sarah noch lebt, Erik ist sich nicht sicher. Immer verworrener werden die Geschehnisse, denn Winnie geht in New York eigene Wege. Auf Nachfragen leugnet sie alles und verlässt ihren Mann. Erik verfolgt Winnies Wege auch mit Hilfe eines ehemaligen Privatdetektivs, den er durch Zufall in der Bibliothek kennengelernt hat und verfängt sich in einem Wirrwarr aus �esoterischem Quatsch�, der sich letztendlich als erhellende Spur entpuppen wird.

Wie Hakan Nesser, der selbst beteuert, dass dieser Roman kein Krimi ist, den Leser raffiniert auf falsche Fährten schickt und immer wieder durch unwahrscheinliche Wendungen, Zufälle, Informationen, Träume und Begegnungen mit Figuren an diese mysteriöse Handlung fesselt, ist unglaublich aufregend. Auf sprachlich hohem Niveau bleibt der Leser eng an Eriks Seite und durchlebt mit ihm den Schmerz, den Alltag, aber auch das Unwahrscheinliche, Grausige und wie Unheilvolle.