WENN DU WIEDERKOMMST

�Seit er tot ist, kann ich nicht aufhören mich zu fragen, ob er mich geliebt hat, sage ich so leichthin, wie es mir möglich ist.�

Zwei Menschen beschlie�en nach einer langen Zeit der Trennung wieder zueinander zu finden. Der Abschied auf dem Flughafen von Boston ist hoffnungsvoll und in die Zukunft gewandt. Dann jedoch passiert das Unfassbare, der Mann stirbt. Wie in einem Tagebuch berichtet die Autorin nun von der Trauer um einen geliebten Menschen, mit dem sie trotz aller Divergenzen eine Lebensbeziehung hatte. Es ist eine Totenklage, die sich über ein Jahr erstreckt, strukturiert nach dem jüdischen Trauerjahr. Die Ich-Erzählerin, eine Schriftstellerin, lässt nun ihr Leben mit Jerome, dem Juden, Anwalt für Asylrecht, Amerikaner und Fremdgänger, Revue passieren. Als die beiden sich kennenlernen, ist es erst die Liebe auf den zweiten Blick, die sie verbindet. Er legt die Karte offen und gibt seine Unfähigkeit monogam zu leben zu. Sie kann die ständige Nähe, auch für ihre Arbeit nicht ertragen. Doch alles geht einigerma�en gut bis Ilana, die gemeinsame Tochter, zur Welt kommt. Doch als Ilana 16 Jahre alt ist, trennen sich die Eltern. Was hält eine Liebe aus? Sind die Vorstellungen einer Simone de Beauvoir und eines Sarte heute lebbar, ohne Verluste? Klare Antwort: Nein. In ihrer Trauer spürt die Erzählerin wie Schwager und Schwägerin sie ausgrenzen, Jeromes persönliche Dinge durchwühlen, ein Testament ohne sie finden und keine Gelegenheit auslassen, sie gezielt und erbarmungslos zu quälen. Die Schwägerin wirft sogar ihre Briefe fort, da sie �unerheblich� sind. Auch die Beziehung zu Ilana ist bei aller Trauer spannungsgeladen. In Rückblenden und Erinnerungen entsteht vor dem inneren Auge der Erzählerin der Mann, den sie geliebt und verloren hat. Als müsste sie jetzt herausfinden, wer dieser Mensch eigentlich war und wie sie in sein Leben gepasst hat. �berzogen von einem Klagelied des Schmerzes sucht die Erzählerin aber auch nach sich selbst und ihren Gefühlen, ob es sich nun um ihren Beginn in Amerika, Jerome oder diesen abgezirkelten Raum geht, in dem Familie, Einkommen, Besitz und Gewöhnung den Alltag und das Altern bestimmen. Wie allein die Erzählerin mit ihrem Verlust ist, erkennt sie, als sie in der Schiwa-Woche unter lauter Menschen in Jeromes Wohnung sitzt. Doch sie ist kein Familienmitglied, denn sie ist seit 15 Jahren von Jerome geschieden. Wie wenig Worte helfen können, verspürt sie in dieser Zeit und sucht sich eigene Wege, um Abschied zu nehmen.

Anna Mitgutschs Roman ist trotz bewundernswerte Sprache keine einfache Lektüre, denn die Melancholie über allem stimmt doch schwermütig. Auf diesen Text sollte man sich einlassen, wenn man die Mu�e hat, Abschied und Lebensfragen zu reflektieren.