Katrin Hahnemann: Charles Darwin. Wer ist das?,Illustriert von Uwe Mayer

Bloomsbury Verlag, Berlin 2009, 96 Seiten, �12.90

Ausgehend von einem bekannten Bild, dass die Entwicklung vom Affen über verschiedene Stadien zum Menschen zeigt, erklärt Katrin Hahnemann den Begriff Verwandlung, Evolution. Charles Darwin kam zu dem Schluss: �Der Mensch und der Menschenaffe haben gemeinsame Vorfahren.� Zu seiner Zeit war das eine gewagte Theorie, der Gedanke, dass alle Lebewesen, so wie es in der Bibel steht, nicht in sechs Tagen von Gott erschaffen wurden, sondern ihr Leben der Natur verdanken. Katrin Hahnemann versucht dem jungen Leser, immerhin ist ihr Buch für Kinder ab 8 Jahren gedacht, das damalige mythisch-religiöse Weltbild zu erklären, um auf die bedeutenden Veränderungen durch Charles Darwins wissenschaftliche Erkenntnisse hinzuweisen.

Chronologisch erzählt sie nun Charles Darwins Leben und beginnt mit seiner Kindheit. Sie beschreibt den Vater, der als Landarzt wohlhabend war und seinen Sohn mit kritischen Augen betrachtete. Die Beobachtungsgabe scheint Charles von ihm geerbt zu haben. Der Vater vermisst Charles Interesse an den wichtigen Dingen des Lebens und tadelt seine Vorliebe für die Jagd. Die Autorin stellt fest, dass Charles im Grunde immer nur das tut, was er für richtig hält. Diese Unabhängigkeit im Denken wird seinen Lebensweg bestimmen. Später wird er den Sklavenhandel vehement verurteilen und sich dadurch viel �rger einhandeln. Als Charles acht Jahre alt ist, stirbt seine Mutter. Seine älteren Schwestern kümmern sich nun um Charles, der als fünftes von sechs Kindern auf die Welt kommt. Charles Mutter stammt aus dem Hause Wedgwood. Die Familien Darwin und Wedgwood sind schon lang freundschaftlich verbunden, Charles wird seine Cousine Emma heiraten und mit ihr 10 Kinder haben, von denen nur 7 das Erwachsenenalter erreichen.

Charles Darwin, so schreibt Katrin Hahnemann, hatte eine glückliche Kindheit. Stundenlang hält sich der Junge in der Natur auf, beobachtet die Vögel, sammelt voller Leidenschaft Käfer und Schmetterlinge. In vielen Anekdoten, aber auch Briefausschnitten lernt der junge Leser ein wissbegieriges Kind kennen, dass geduldig und genau sein kann, aber nur wenn es wirklich brennend an einem Thema interessiert ist. Vom Schulunterricht kann man das nicht behaupten. Charles erzählt Lügengeschichten, interessiert sich kaum für den Unterrichtsstoff. Mit neun Jahren kommt Charles ins Internat, in Shrewsbury. Die Bedingungen sind für den Jungen, der von seinen Schwester verwöhnt wurde, schrecklich. Die Kinder werden geschlagen, schlafen in feuchten Räumen und dürfen nachts nicht mal zur Toilette gehen. Charles ist bei seinen Klassenkameraden sehr beliebt. Er führt sehr gern mit seinem Bruder chemische Experimente durch. Charles soll der Familientradition und dem Wunsch des Vaters nach Medizin studieren. Aber der Junge langweilt sich auf der Universität in Edinburgh. Nur die Naturwissenschaftler, die er dort kennenlernt, können ihn für ihr Fach begeistern. Der Naturforscher Robert Grant berichtet Charles von der Evolution. Sein Interesse ist geweckt.

Katrin Hahnemann weist den Leser auf Websites hin, die sich mit Darwins Leben und Wirken beschäftigen. Allerdings sind alle Texte in englisch. Charles beichtet dem Vater, dass er wenig Freude an der Medizin hat. Kurzentschlossen und schon ziemlich verärgert bestimmt der Vater, dass Charles Pfarrer wird. Er wird zwar nie wirklich arbeiten müssen, dafür ist die Familie zu reich, aber ein Tunichtgut soll Charles auch nicht werden. Der Vater denkt, wenn er Pfarrer wird, dann hat er auch genug Zeit, um die Natur zu beobachten. Als Charles dann Professor Henslow kennenlernt und bei ihm das Handwerkszeug eines Forschers erlernt, ist ihm schon klar, dass er nie als Pfarrer arbeiten wird. Er schlie�t das Studium ab, will dann aber an der Weltumseglung mit der HMS Beagle an der Seite Kapitäns Fitzroy Richtung Südamerika teilnehmen. Der strenge Vater untersagt Charles diese Reise, deren Kosten er auch übernehmen müsste. Für ihn ist diese zweijährige Reise einfach nur Zeitverschwendung. Mit Hilfe seines Onkels kann Charles seinen Vater überreden. Die Reise beginnt 1831, da ist Charles 22 Jahre alt. Katrin Hahnemann beschreibt Charles Darwins Empfindungen beim Antritt der Fahrt. Charles ist ängstlich einerseits und andererseits ganz versessen auf diese Lebenserfahrung. Die Autorin fordert den Leser widerholt auf sich in Charles Situation hineinzuversetzen, um seinen widersprüchlichen Charakter zu verstehen. Die Reise der Beagle wird Charles Leben verändern. Als jugendlicher Luftikus und angehender Theologe brach er auf und wird als als scharf analysierender Naturforscher zurückkehren. Viele Reisestationen beschreibt die Autorin ausführlicher, z.B. das Auffinden der versteinerten Knochen in Patagonien oder Darwins Feststellung, dass der Forscher Lyell Recht hat, dass die Gebirge über lange Zeiträume hin entstanden sein müssen. Charles wird, so beschreibt es Katrin Hahnemann, auf dieser Reise erwachsen. Auf Feuerland kommt er zum ersten Mal auf den Gedanken, dass auch der Mensch sich verändert hat. Er vergleicht die Feuerländer und die Engländer und denkt über menschliche Vorfahren nach. Entscheidend für Charles Darwins Reise wird sein Aufenthalt auf den Galagagosinseln. Die Tiere dort haben keine Angst vor Menschen. Charles sammelt vor allem Finken, die er anfänglich nicht zu einer Art zählt. Die Funde von den Galapagosinseln werden Charles später von der Richtigkeit der Evolutionstheorie überzeugen. 20 Jahre nach der Weltumseglung veröffentlicht Charles Darwin seine Evolutionstheorie. Wie ein Krimi mutet diese wissenschaftliche Präsentation an, denn Alfred Russsel Wallace hatte Darwin seine Ideen zur Evolution als Aufsatz zugeschickt, mit der Bitte um Veröffentlichung. Darwin bittet seine Freunde um Hilfe. Sie tragen seine Theorien gemeinsam mit der von Wallace vor einem wissenschaftlichen Auditorium vor. Darwin hat fundierte wissenschaftliche Beweise und somit gilt er als der Begründer der Evolutionstheorie. Viele Menschen stö�t er in dieser Zeit vor den Kopf. Auch seine Frau ist tief religiös, steht aber zu ihrem Mann. 1871 erscheint �Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl�. Charles Darwin schreibt noch mehrere Bücher, untersucht Regenwürmer und Orchideen. Interessant ist am Ende Katrin Hahnemanns Exkurs in die Gegenwart.

Eine Marktlücke für den sehr jungen Leser ist offenbar die Hardcover-Biografie. Das hat die Berliner Autorin Katrin Hahnemann erkannt und sich mit einem fertigen Manuskript über Mahatma Gandhis Leben an den Berliner Bloomsbury Verlag gewandt. Kurzerhand entstand die Idee zur neuen Biografienreihe: �Wer ist das?� für Kinder ab 8 Jahren. Vorbilder, mit denen sich junge Leser identifizieren und auseinandersetzen können, sollen in dieser Reihe vorgestellt werden: Albert Schweitzer, Marco Polo oder Abraham Lincoln. In ihrem zweiten Buch widmet sich die Autorin Charles Darwin. "Die Entstehung der Arten" entfaltet eine der einflussreichsten Theorien überhaupt und sie ist ohne weiteres im Gegensatz zu anderen wissenschaftlich bedeutenden Ideen ohne weiteres auch für Kinder verständlich. Für Katrin Hahnemann steht immer der Mensch im Mittelpunkt der Betrachtungen und sie stellt ganz bewusst die Nähe zur mündlichen Erzählsituation her, indem sie ihren kindlichen Leser direkt anspricht. Stellenweise fordert Katrin Hahnemann zum Innehalten auf. Fragt, was der Leser zum Beispiel über Charles Darwins Gewissenskonflikte denkt?

Um den Leser zu erreichen, musste Katrin Hahnemann zum einen auf den Seitenumfang achten und zum anderen sprachlich immer wieder ihren Text verdichten. Aus Erfahrung wei� die Autorin, dass sie ihrem Leser keinen ausführlichen Nachschlageteil am Ende des Buches zumuten kann. Gesellschaftspolitische, religiöse oder biologische Begriffe werden in dem Augenblick erläutert, in dem sie für das Verständnis erforderlich sind, z.B. Sklavenhandel, Fossilien oder Arten. Und das funktioniert sehr gut, denn der Erzählfluss wird durch die abgesetzten Erläuterungen nicht unterbrochen. Indem Katrin Hahnemann aus Briefen zitiert und überlieferte Anekdoten erzählt, formt sich für den Leser ein Bild von Charles Darwin.

Den Text erzählen auf unterhaltsame Weise auch die leicht karikaturhaften Illustrationen von Uwe Mayer weiter, aber auch die zahlreichen Bilder, Fotos und Karten sind hilfreich. Trotz treffender Vereinfachungen musste Katrin Hahnemann beim Konzipieren des Buches inhaltlich Abstriche machen. Bei den wissenschaftlichen Erklärungen kommt es Katrin Hahnemann nicht auf Vollständigkeit an. Sie regt den Leser an, sich selbst Gedanken zu machen und schreibt verständlich und einfach.