Zwei bemerkenswerte Frauen

Tracy Chevalier

Aus dem Englischen von Anne Rademacher, Knaus Verlag, München 2010, 368 Seiten, �19,99

� Ich hab plötzlich gewusst, dass es etwas gibt, wonach ich suchen muss, und dass ich das besser kann als die meisten anderen Menschen.�

Mary Anning ist von ihrer Bestimmung überzeugt. Sie sucht Fossilien an der südenglischen Küste, unweit ihres Heimatortes Lyme Regis. Ihre Familie ist arm, der Vater stirbt früh und hinterlässt der verhärmten Mutter nur Schulden. Elizabeth Philpot dagegen stammt aus einer Anwaltsfamilie. Sie muss nie hungern oder befürchten, dass sie im Armenhaus landen könnte. Von Natur aus nicht mit Schönheit gesegnet, wei� sie jedoch, dass sie aufgrund der finanziellen Situation der Familie nie heiraten wird. Mit ihren zwei Schwestern zieht sie nach der Hochzeit ihres Bruders von London ins kostengünstigere Lyme. Eine schwere Entscheidung gerade für Elizabeth, die nicht wie Luise gern im Garten arbeitet oder wie Margaret den Kontakt zu gut gestellten Familien sucht. Elizabeth meidet die Tanzveranstaltungen im Ort, sie ist mehr für sich. Als sie Mary, da ist sie noch ein Kind, kennenlernt, bietet diese ihr ihre gefundenen Fossilien zum Kauf an, aber da ist Elizabeth schon selbst von der Sammelleidenschaft jedoch nur zum Spa� erfasst. Die beiden künftigen Freundinnen trennen gut zwanzig Jahre Altersunterschied. Die Leidenschaft für Fossilien jedoch hat trotz aller Standesunterschiede beide ergriffen. Elizabeth wühlt wie Mary im Sand und zwischen den Steinen ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Konventionen und sie beginnt mehr und mehr in geologischen Büchern über Seelilien, Crinoide oder Ammoniten zu lesen und sie gibt ihr Wissen an Mary weiter. Mary jedoch sammelt nicht aus wissenschaftlichem Interesse, sie verkauft die schönsten Stücke und hofft so, der Familie zeitweilig zu helfen.

Als Mary ein krokodilähnliches versteinertes Riesenwesen, das später als Ichthyosaurier bezeichnet wird, findet, werden auch die Leute in Lyme Regis aufmerksam. Der ansässige Lord kauft Mary den Fund ab und gibt ihn als seinen eigenen aus. Elizabeth wird mehr als einmal feststellen, wie sich Männer mit den besonderen Fähigkeiten der Frauen schmücken. Wird Mary anfänglich für ihre Sammelsucht noch belächelt, so beginnen nun die gemeinen Gerüchte über sie zu kursieren. Das Arbeitermädchen schert sich nicht um ihren guten Ruf, immer wieder läuft sie allein mit Geologen, wie Mr Buckland am Strand entlang. Allerdings ist die Suche nach Kuris auch gefährlich. Mehr als einmal wird Mary im Lehm verschüttet und trotzdem sucht sie weiterhin unterhalb der Klippen. Sie hat ein unglaublich geschultes Auge für seltene Fundstücke. Als Colonel Birch dann am Strand auftaucht und die Frauen mit seiner galanten Art um den Finger wickelt, erliegt Mary seinen Schmeicheleien. Sie sucht nur noch für ihn nach Fossilien und bringt dadurch ihre Familie fast ins Armenhaus.

Elizabeth, ebenfalls dem falschen Colonel verfallen, erkennt aber schneller als ihre junge Freundin, was er im Schilde führt. �ber sich hinaus wächst Elizabeth als sie den Colonel bei ihrem Londonbesuch endlich zur Rede stellt und ihn auffordert, Mary endlich auch finanziell zu unterstützen. �ber den Kontakt zum Colonel werden die beiden Frauen, die nicht unterschiedlicher sein könnten und doch gemeinsam viel Zeit mit ihren Fossilien, Elizabeth hat sich auf Fischfossilien spezialisiert, verbringen, dann ernsthaft in Streit geraten. Fraglich ist auch für die beiden Suchenden, wann diese Tiere gelebt haben und wie ihre Existenz mit der göttlichen Schöpfungsgeschichte in Einklang zu bringen ist. Elizabeth vermutet schnell, dass es sich um Tiere handeln muss, auch als Mary den Plesiosaurier findet, die bereits ausgestorben sind.

Tracy Chevalier hat einen faszinierenden historischen Roman geschrieben. Sie erzählt unterhaltsam und lehrreich über zwei sehr unterschiedliche Frauen, die am Beginn des 19. Jahrhunderts wirklich gelebt haben und deren Pionierarbeit von Wissenschaftlern auch in ihren Schriften gewürdigt wurde. Dabei stützt die Autorin sich auf wahre Begebenheiten, erfindet aber auch viele Personen und Ereignisse hinzu. Die amerikanische Autorin, die seit längerem im London lebt, lässt die beiden Frauen aus ihrer jeweiligen Perspektive vom Leben der beiden berichten und dabei wechselt sie den Erzählton. Ist Mary eher spontan und pragmatisch, so reflektiert die ältere, gebildete Elizabeth psychologisch präziser und tiefgründiger. Tief eingebunden in die Erzählungen der Frauen ist die stürmische, raue See, die fast immer anwesend ihr Leben prägen wird.

Eine aufregende Lektüre über für die damalige Zeit sehr emanzipierte Fossiliensammlerinnen, die einfach ihrer Bestimmung gefolgt sind.